Wie viele Wohnorte brauche ich?

Kfz-Kennzeichen LIP-XX YYY. Kreis Lippe. Sie sind überall, nur nicht zu Hause. Egal ob im Süden Deutschlands, im Norden oder zwischendrin. Sie treiben sich überall herum. Auf jeder Autobahn. In jeder Stadt. Ganz unabhängig von ihrem angemeldeten Wohnsitz. Sie zeigen sich mir überall. Ein Zeichen? Es fühlt sich so an. Doch was soll es bedeuten?

Meine Lebensmittelpunkte mit einem Wohnort

Lange Zeit war ich der Meinung, dies wäre ein Hinweis darauf, wo ich zukünftig meinen Wohnsitz aufschlagen soll. Ein Umzug also nach Detmold, Bad Salzuflen oder Lemgo? Nicht gerade um die Ecke von der geliebten Heimat samt Familie in Meck-Pomm. Das sind über fünf Stunden Autofahrt ohne Pause. Trotzdem noch drei Stunden dichter als Ulm, wo ich vierzehn Jahre gelebt habe. Und das Hauptziel in diesen vierzehn Jahren war immer, irgendwann so dicht wie möglich an die Familie zurückzuziehen. Da sind fünf Stunden definitiv noch zu viel.

In der Zwischenzeit hat sich der Lebensmittelpunkt dennoch verändert. Weg von Ulm, hin zu Lübeck. Am Ende nicht die erste Wahl und doch eine gute Entscheidung. Die Fahrt in die Heimat hat sich auf unter zwei Stunden reduziert. Somit ist nicht immer ein langes Wochenende notwendig, um die Familie zu besuchen. Mittags hin und abends wieder zurück sind machbar. Und ich habe gemerkt, dass ich gar nicht alle zwei Wochen zur Familie fahren muss. Dass ich meinen Rückzugsort in den eigenen vier Wänden brauche. Dass ich mir mein eigenes Leben unabhängig von der Familie aufbauen darf.

Und doch bleibt die Frage, was mir das Lippe-Kennzeichen sagen möchte. Nicht ohne Grund erweckt es immer wieder meine Aufmerksamkeit.

Ein Harz-Wochenende verändert die Sicht auf meinen perfekten Wohnort

Im Oktober traf ich mich mit drei Freundinnen aus der Schulzeit im Harz zu einem verlängerten Wochenende. Spontan reiste ich zwei Tage früher an, fuhr alleine auf der Autobahn Richtung Mitteldeutschland und entdeckte sie wieder, die LIP-Kennzeichen. Doch diesmal lösten sie einen anderen Gedanken in mir aus:

Was, wenn ich gar keinen festen Wohnsitz brauche? Was, wenn ich mich wie die Menschen aus dem Kreis Lippe in ganz Deutschland, in der ganzen Welt frei bewege. Wenn ich so lange an einem Ort wohnen bleibe, wie ich mich dort wohlfühle und dann weiterziehe? Wenn ich mich einfach treiben lasse? Wenn ich das Nötigste in einem kleinen Campingbus immer bei mir habe? Brauche ich dann noch einen festen Wohnsitz?

Brauche ich überhaupt einen festen Wohnsitz?

Aktuell definitiv Ja. Als Projektmanagerin mit höchstens drei Tagen mobilem Arbeiten pro Woche sollte der Weg zum Arbeitsplatz überschaubar bleiben. Noch dazu brauche ich den täglichen Kontakt zu den Kollegen von Angesicht zu Angesicht. Mir fällt die Zusammenarbeit dann einfach leichter.

Wäre ich zu hundert Prozent selbstständig und hätte ein reines Online-Business, sähe die Antwort anders aus. Warum sollte ich dem Drang dann nicht nachgeben und mich dorthin treiben lassen, wo es mich hinzieht? Ohne eigene Kinder, ohne Partner … warum nicht?

Doch passt dieser Lebensstil überhaupt zu mir? Brauche ich vielleicht trotzdem einen festen Wohnsitz? Quasi als Basis, zu der ich jederzeit zurück kann? Mein Zufluchtsort, mein Rückzugsort, wenn alles andere zu viel wird? Ein Ort zum Verschnaufen von den vielen neuen Eindrücken, die mir auf meinem Dahintreiben begegnen?

Das werde ich mit der Zeit herausfinden. Zunächst einmal spiele ich mit dem Gedanken, dass ich an keinem Ort ewig bleiben muss. Dass ich unter Umständen auch mehrere Wohnorte parallel habe. Ich spüre in mich hinein, um herauszufinden, was für mich die richtige Art zu wohnen ist. Früher oder später wird die Antwort kommen.

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